Luisa, meine Enkelin, ist nun gut acht Monate alt. Ich hüte sie drei bis vier Tage in der Woche und bin jedes Mal aufs Neue erstaunt über ihre Fortschritte und Veränderungen und darüber, was sie mir alles beibringen kann. Durch sie gewinne ich wieder neue Perspektiven auf das Leben.
"Babywatching" ist zu meinem neuen Hobby geworden!
Besonders fasziniert mich natürlich die Bewegungsentwicklung und der Bewegungsdrang eines Babys. Es ist genial, dies nicht nur in Theorie zu lernen, sondern es jeden Tag beobachten und erleben zu können und die Naturgesetze der Spiraldynamik, darin wiederzufinden. Häufig bringt mich das wieder auf neue Ideen für meine Gruppenkurse.
Manchmal versuche ich, Luisas Posen und Bewegungen nachzumachen. Das gelingt mir allerdings nicht immer ;-) Doch es zeigt mir, wie genial unser "Bauplan" ist. Fast alle Möglichkeiten sind schon bei der Geburt in uns vorhanden.
Diese Erkenntnis erfüllt mich mit noch größerer Demut und Dankbarkeit gegenüber dem Leben und dem Menschsein. Es ist einfach ein Wunder, dass unser Körper, dieses wahnsinnige Konstrukt aus komplexen, zusammenspielenden Systemen, sich so entwickelt und immer wieder an neue Situationen anpasst. Es lohnt sich, dieses System zu pflegen, damit es möglichst lange so reibungslos wie möglich funktioniert.
Ich liebe es, Luisa zu beobachten, wie sie spielt und neue Dinge erforscht und entdeckt. Diese Neugier und Offenheit, mit der sie an alles herangeht, haben wir Erwachsenen oft verlernt. Zu viele vorgefasste Meinungen und Ideen, wie etwas sein sollte, schwirren in unseren Köpfen herum. Deshalb stelle ich mir in letzter Zeit oft die Frage: Wie würde ein kleines Kind oder ein Außerirdischer das betrachten? So eröffnen sich mir neue, interessante, bezaubernde und auch lustige Welten, die ich sonst nicht entdeckt hätte.
Für ein Baby gilt es die ganze Welt neu zu entdecken. Luisa ist immer enorm konzentriert und aufmerksam – sie beobachtet alles genau, lauscht jedem Geräusch, erspürt und ertastet alles und kostet es. Und wie gehen wir Erwachsene durchs Leben? Ich versuche, auch häufiger den Autopiloten auszuschalten und, wie Luisa, einfach mal eine Selleriestange oder ein Stück Gurke in den Mund zu nehmen und dessen Eigengeschmack zu erkunden – ganz ohne Salz, Salatsauce oder Dip.
So ein kleines Wesen ist die Achtsamkeit in Person. Davon könnten wir uns alle ein Stück abschneiden!
Da ich weiß, dass Kleinkinder auch durch Vorbilder lernen, überdenke ich nun meine Handlungen wieder viel bewusster. Das ist nicht nur positiv für Luisa, sondern auch für mich. Es hilft mir, immer wieder achtsam zu sein. Obwohl Achtsamkeit schon lange ein Thema für mich ist, merke ich, dass in vielen Lebensbereichen noch großes Potenzial vorhanden ist.
Die Beziehung zu anderen Menschen ist ebenfalls ein interessantes Feld zum Beobachten. Auf einem Foto habe ich entdeckt, dass Luisa und ich genau denselben Gesichtsausdruck haben, wenn wir miteinander "sprechen". Das Spiegeln beherrschen Babys schon sehr gut. Auch das Beobachten von Gesichtszügen und der Klang der Stimme sind für Babys wichtig. Gestern waren wir in einem Restaurant, und die Kellnerin war eine ältere Dame mit ganz schwarzen Haaren, schwarz gekleidet und einer sehr rauchigen Stimme. Sie fragte Luisa, ob sie ihr ein Lächeln schenken würde... stattdessen begann Luisa zu weinen. Die Dame lächelte selbst auch nicht und wirkte etwas merkwürdig und furchteinflößend. Erst als sie sich entfernte, hörte Luisa auf zu weinen.
Der Umgang mit meiner Tochter und ihrem Freund hat sich ebenfalls verändert. Ich habe durch Luisa gelernt, meine Rolle als Mutter und Großmutter neu zu definieren und dabei auch meine Beziehung zu meiner Tochter und ihrem Freund zu reflektieren. Ich versuche, ihre Erziehungsmethoden zu respektieren und zu unterstützen, während ich gleichzeitig meine eigenen Erfahrungen und Erkenntnisse einbringe. Es ist ein ständiger Balanceakt, der uns als Familie näher zusammenbringt und mir hilft, in meiner neuen Rolle zu wachsen und mich als Mensch weiterzuentwickeln.
Jeder Tag mit Luisa ist ein Geschenk, das mir die Augen für die Wunder des Lebens öffnet und mich daran erinnert, wie kostbar und einzigartig jeder Moment ist.
Lasst uns von den Babys lernen, jeden Moment bewusst zu erleben, neugierig und offen zu bleiben und die Wunder des Lebens immer wieder neu zu entdecken. So können wir nicht nur unser eigenes Wohlbefinden steigern, sondern auch positiv auf die Menschen um uns herum wirken und gemeinsam eine achtsamere Welt gestalten.
Von Herzen,
Claudia
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